Ouvertüre:
Wären Tage Essen, wäre der Montag Rosenkohl. Bei 99,5% der Weltbevölkerung verhasst (Ausname bei Montagen: Frisöre; Ausnahme bei Rosenkohl: die Eltern unseres traurigen Helden Martin S.) taucht er doch immer wieder in unschöner Regelmäßigkeit auf, um einem die Laune bzw. den Appetit zu verderben. Meistens hat man zwar das Glück, seine Anwesenheit ignorieren zu können, manchmal jedoch trifft einen das Grauen mit voller Wucht. So wie an diesem einen Tag im Februar, an dem u.a. der Rosenkohl unter den Verkehrsmitteln wieder zur Höchstform auflaufen wird.
1. Akt:
Martin S. hetzt die letzten Stufen zum Bahnsteig herauf. Er ist sehr stolz auf sich, weil er es trotz teilweise massiver Widerstände (Schwester im Haus, Morgens-Dusch-Rhythmus durcheinander, Auto vereist) geschafft hat, pünktlich um 7 Uhr am Bahnhof einzutreffen, um mit der S-Bahn um 7:01 Uhr gen Düsseldorf zu reiten. Doch schon während seiner ersten Schritte auf dem Bahnsteig verwandelt sich die Freude in Wut. Schuld daran ist das gelbe "In-den-nächsten-Minuten-kommt-keine-Bahn"-Signal und die gähnende Leere nach einem Blick in die Richtung, aus der der Zug kommen müsste. Schon 3 Minuten nach der offiziellen Abfahrtszeit der Bahn erfolgt eine Durchsage, dass besagte Bahn voraussichtlich 10 Minuten Verspätung hat.
Der einzige Lichtblick für unseren Helden: Ein zufällig aufgeschnapptes Gespräch, aus dem hervorgeht, dass es noch jemanden gibt, der Buch über die Verspätungen der S6 führt. Darüber hinaus erfährt Martin S., dass die S6 im Januar 2007 durchschnittlich 3:44 min Verspätung hatte und damit deutlich über der durchschnittlichen Verspätung im Januar 2006 lag.
2. Akt:
Die 10 Minuten verspätete Bahn fährt mit 12 Minuten Verspätung ein. Gefühlte 9.000 Menschen drängen sich in die hoffnungslos zu klein geratenen Waggons. Der Stahlkoloss setzt sich langsam in Bewegung. Plötzlich zückt ein Mann mit Blindenstock (!) und Warnweste (!!) ein Keyboard (!!!) und ein mit Münzen gefülltes Brillenetui und beginnt, zu den Klängen von "Blowing In The Wind" und "Anton aus Tirol" durch die Bahn zu marschieren. Montags! Um viertel nach 7! In einer aus allen Nähten platzenden Bahn! Unglücklicherweise scheint der lustige Musikant nicht nur blind, sondern auch taub zu sein, da er seine Melodien völlig unbeeindruckt vom Takt der schüchternen Schlagzeug-Begleitung in die Bahn rotzt. Martin S. ist den Tränen nah und beschließt, in seinem Blog eine neue Schublade "Masochist" einzuführen, in die alle Bahn-Erlebnisse gepackt werden können.
3. Akt:
Unser Held ist den hirntötenden Klängen des Blindtauben entkommen und erreicht mit letzter Kraft sein Büro. Sofort beginnt er mit der Niederschrift dieses denkwürdigen Morgens. Um kurz nach 9 vernimmt die Besatzung der Internationalen Raumstation ISS ein kollektives Fluchen, das vom Victoriaplatz 1 und 2 zu kommen scheint. Stromausfall...
Gerade läuft: Nix
3 Kommentar/e:
My dear Mr. Singingclub!
Den Blinden Bontempi-Virtuosen kenn ich, der sitzt aber meistens spät abends in der Bahn.
Ausgezeichnet! Warum hast du dich nicht dazugestellt und einfach neben dem Takt ein völlig anderes Lied gesungen? *g*
Manchmal bin ich schon froh, dass es in meinem Heimatdörfchen keine Bahnanbindung gibt und ich Auto fahren muss.
Jetzt weißt du wofür MP3-Player (veraltet: Walkman) erfunden wurden! [:-)
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