Freitag, 17. September 2021

Learning by cycling

 Heute habe ich 3 Sachen gelernt:

  1. Die Alpenseeregion ist längst nicht so fahrradfreundlich wie die Bodenseeregion.
  2. Wenn dir ein Bayer auf die Frage nach einem Radweg sagt, dieser sei "ein bisschen steil und 1-2 Mal wird man wahrscheinlich absteigen und schieben müssen", meint er wahrscheinlich, dass der Weg direkt aus dem tiefsten Schlund der Hölle kommt und nur absolute Vollidioten dafür das Fahrrad nehmen.
  3. Wenn Google Maps bei einer Fahrradroute von "moderaten Steigungen" spricht, bedeutet das dasselbe wie 2, nur halt nicht auf bayrisch.

Vielleicht hat es der Eine oder die Andere schon vermutet: Wir waren heute mit dem Fahrrad unterwegs und das war dumm und gut gleichzeitig. Direkt in der Nähe des Kochelsees liegt nämlich der Walchensee, angeblich einer der schönsten Seen Deutschlands (they call it "Deutsche Karibik") und den wollten wir mit dem Fahrrad umrunden. Die Route war ca. 28 km lang und wurde auch in einem Flyer, der hier in der Rezeption ausliegt, mit der Schwierigkeit "normal" beworben. Das war das Gute. Das Dumme war, dass wir nicht am Walchensee sind, sondern am Kochelsee und dazwischen 6 km Bundesstraße 11 liegen. Entspannt und ausgeruht, wie wir nach dem gestrigen Tag waren, war uns klar, dass es weit anstrengender wäre, Roadie Ron Weaselby mit den Fahrrädern zu beladen, alles zu sichern, die 6 km zu fahren, die Fahrräder abzuladen und auf dem Rückweg nochmal genau dasselbe zu machen, als einfach die 12 km noch an die Walchenseerunde dranzuhängen. Als wir unseren Chefcamper nach einer Alternativroute zur Bundesstraße fragten, nannte er uns einen Schotterweg mit dem o.g. Disclaimer.

Wir strampelten also los, steckten die ersten paarhundert Meter Steigung locker weg und fanden fast auf Anhieb den Schotterweg, der für ca. 200 m auch kein Problem war. Dann wurde es ein bisschen steiler, sodass wir lieber abstiegen. War halt auch Schotter und dementsprechend etwas rutschig. Long Story short: Der verkackte Weg wurde immer steiler, der Schotter wurde immer grober und bestand irgendwann aus Felsbrocken und es hörte und hörte und hörte nicht auf, bergauf zu gehen. Selbst zu Fuß wäre der Weg eine Herausforderung gewesen, aber mit nem Fahrrad unterm Arm war er kein Weg, sondern eine Weg gewordene Höllenqual! Die Suppe lief jedenfalls, und das schon nach schlappen 2 von 40 km, die wir noch nicht mal mit dem Rad zurückgelegt hatten. Umkehren erschien uns aber auch zu gefährlich, also hieß es Augen zu und durch...

Nach ca. 4,5 von den 6 km (von denen wir ca. 700 m auf den Rädern zurückgelegt hatten) hatten wir den Mount Everest dann endlich bezwungen (es waren übrigens knapp 600 Höhenmeter) und konnten auf die Straße wechseln und bis zum Startpunkt unserer Rundtour laufen lassen. Das war ein Ort namens Urfeld, der aus ca. 3 Häusern und einem Café/Bistro bestand, das wir links liegen ließen, weil wir zwar eine Stärkung gebrauchen konnten, aber nicht die erstbeste Gelegenheit wahrnehmen wollten. Ein möglicherweise fataler Fehler. Denn nun ging es erstmal 5 km auf der recht viel befahrenen B11 weiter bis in den etwas größeren Ort Walchensee. Hier muss ich dann auch gleich mal die nächste Ungeheuerlichkeit anprangern, denn wie zur Hölle kann man denn auf die Idee kommen, einen Ort an einem See names "Walchensee" auch "Walchensee" zu nennen?! Bei Kochel (bzw. Kochel am See (bzw. Kochel a. See, wie es auf Verkehrsschildern so gerne "abgekürzt" wird)) habt ihr's doch auch einigermaßen hinbekommen! Warum also nicht den Ort "Walchen" nennen oder den See "Walchenseesee" oder den Ort meinetwegen sogar "Walchensee am See" (bzw. "Walchensee a. See", für die Eiligen unter uns)? Ach, naja... Auf jeden Fall war die Fahrt bis hierhin einigermaßen katastrophal, weil die eine Hälfte mussten wir schieben und die andere Hälfte fuhren wir auf der Bundesstraße und wurden ständig von Autos, Motorrädern, Wohnmobilen, LKW, Autos mit Wohnwagen und Rennrädern überholt. Und dann lag in Walchensee am Walchenseer See auch noch dermaßen der Hund begraben, und zwar mehrere Kilometer tief! Wir wollten doch nur einen Wurstsalat essen, aber entweder hatten die Gaststätten zu oder die Gaststättenbetreiber waren so erbost über plötzlich auftauchende Kundschaft, dass wir sofort wieder rückwärts aus dem Laden sprangen. Naja, schließlich haben wir aber doch noch einen Laden gefunden, der Brotzeiten servierte und dann knickte die Tour um den See auch endlich von der Bundesstraße ab.

Ab dann war es auch eine wirklich schöne Fahrradtour. Der Weg war größtenteils eben und auch wenn heute ein recht bewölkter Tag war, konnte man verstehen, warum der See als deutsche Karibik bezeichnet wird - das Wasser ist wirklich verboten türkisblau und klar. Dazu dann noch die obligatorischen Berge im Hintergrund, ab und an ein kleines Dorf auf der anderen Seeseite, hier und da ein Bootshaus, immer mal wieder plätschert ein Gebirgsbach von rechts in den See (oder von links, wenn man im Uhrzeigersinn fährt) - hässlich geht definitiv anders. Als Bonus kamen dann sogar wieder einmal frei weidende Kühe mit den bekannten Kuhglocken dazu (übrigens bekommen Kälber auch Kuhglocken, aber kleinere).


Das nächste Mal bitte Popo abwischen...
Ach so, hatte ich eigentlich gerade geschrieben "der Weg war größtenteils eben"? Hierzu noch folgende Anekdote: Kurz vor dem Ende unserer Runde teilte sich der Weg. Links (näher am See) war als Fußweg ausgewiesen, rechts als Radweg. Wir wählten natürlich die rechte Seite und wie ging es hier weiter? Richtig, erstmal schön steil bergauf! Und mit "schön steil bergauf" meine ich "so beschissen steil bergauf, dass wir mal wieder absteigen und den kack Berg hochschieben mussten". Fahrradweg am Arsch! Wenigstens waren das keine 4 km, sondern nur einer und so traumatisierend unwegsam wie zu Beginn war es auch nicht. Trotzdem bescheuert, die Bayern.

Die Rückkehr an den Kochelsee war dann auch eigentlich gar nicht mehr groß erwähnenswert. Wir schoben unsere Räder dieses Mal auf der Straße (erwähnte ich schon, dass die Oberbayern es nicht so mit Radwegen zu haben scheinen?!) die 2 km auf den Mount Everest hinauf, mussten die restlichen 4 km bis zum Campingplatz nicht mehr in die Pedale treten und erreichten trotzdem unsere Spitzengeschwindigkeit von 36,4 km/h. Und alles in allem war es dann doch auch ein schöner Ausflug. Und den Weg bis zum Walchensee mit dem Camper zu fahren, wäre trotz allem irgendwie noch bescheuerter gewesen.

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